Slow Motion House (Slo-Mo House / Chug) — hypnotisches Mid-Tempo bei 90–108 BPM: balearische Atmosphäre, warmer Bass, psychedelische Synths, Schlüssel-Künstler:innen und Produktionsleitfaden.
Slow Motion House (auch slo-mo house, chug, teils „drug-chug“) — ist ein gemächlicher, hypnotischer Zweig von House und Disco bei reduzierter Geschwindigkeit. Hier zählen ein zäher Groove und eine filmische Stimmung mehr als Peak-Energy auf dem Dancefloor: dichte Percussion-Pattern, organische Basslinien, analoger Sound, psychedelische Synths, ethnische/rockige Texturen und lange Übergänge.
Schlüsseleigenschaften des Sounds
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Tempo: meist 90–108 BPM (seltener 110–112).
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Groove: rollendes Mid-Tempo mit Fokus auf Hi-Hats und Percussion; die Kick weicher als in Techno/House.
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Bass: warm, fett, oft mit Live-Anmutung (Moog/SH-Stil), kurze, repetitive Riffs.
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Synths & FX: Arpeggios, Flanger/Phaser, Tape-Wobble/Tremolo, kosmische Leads, Gitarren mit Pedalen, indische/nahöstliche Timbres.
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Atmosphäre: balearisch, psychedelisch, „nächtliche Autobahn“, leicht feucht und vintage.
Herkunft
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Balearic/Disco-Re-Edits der 80er/90er setzten das meditative Tempo und die eklektische Quellenauswahl.
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Nu-Disco und Indie Dance der 2000er brachten lebendige Bässe und Rock-Ästhetik.
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Post-Punk/EBM/Italo fügten Kühle und mechanischen Drive bei niedriger Geschwindigkeit hinzu.
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In den 2010ern zementierten die „A Love From Outer Space“-DJ-Sets von Andrew Weatherall & Sean Johnston die Ästhetik (Mantra: nichts über 122 BPM, oft deutlich darunter). Parallel etablierten Hivern Discs, Correspondant, ESP Institute, Multi Culti, Les Disques De La Mort, Permanent Vacation, Running Back mit ihren Mid-Tempo-Releases wichtige Referenzen.
Substile & Nachbarzonen
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Chug / Drug-Chug. Härter: Rock-Riffs, EBM-Bass, dunklere Synths.
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Balearic Slo-Mo. Sonniger und weicher: Percussion, Gitarren, Orgel, warme Pad-Synths.
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Indie Dance / Dark Disco. Nahe Verwandte mit schärferen Lead-Synths und dramatischen Akkorden.
Künstler & Labels zum Einstieg
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Andrew Weatherall & Sean Johnston (ALFOS) — Referenz für Sets und die „nicht hetzen“-Haltung.
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Jennifer Cardini / Correspondant, Cosmo Vitelli, Ivan Smagghe / Les Disques De La Mort — dunkler und cinematischer.
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Red Axes, Moscoman, Manfredas, Simple Symmetry, Khidja — Ethno, Psychedelia, Rock-Texturen.
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ESP Institute (Lovefingers), Hivern Discs (John Talabot), Multi Culti, Permanent Vacation, Running Back — Kataloge für tiefes Graben.
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Außerdem: Marvin & Guy, Damon Jee, Pale Blue, Tolouse Low Trax, Roe Deers, Curses.
Typischer Track-Aufbau
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Intro (16–32 Takte): Geräuschschichten, Percussion; der Bass setzt sanft ein.
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Hauptgroove: Kick + Percussion + Bass-Loop; allmähliche Filterautomation.
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Langer Break: Delays/Reverbs, gehaltene Bassnote, Arbeit mit der Noise-Fläche.
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Rückkehr + Variationen: neues Synth/Gitarren-Motiv oder Bass-Transposition.
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Outro: gruppenweises Ausfaden, übrig bleiben Percussion/FX.
Production-Guide (praktisch)
Tempo & Rhythmus
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92–106 BPM sind die „Sweet Spot“. Leichter Swing oder Mikro-Shake auf den Hats belebt den Roll.
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Kick ohne übermäßigen Snap; parallele Kompression auf der Drum-Bus-Spur und leichte Sättigung.
Bass
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Mono bis ~120 Hz, warme Overdrive-Sättigung, kurze Noten (1–2-Takt-Mantra).
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Oft als Paar: Mid-Bass (angezerrt) + Sub-Sine.
Synths/Gitarren
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Arpeggios mit moderater Resonanz; Phaser/Flanger/Chorus für eine „Schlechtwetter“-Patina.
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Gitarren durch Band-/Federhall; quartale Riffs mit 2–4 Noten.
Klang & Raum
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Lange Hallfahnen, aber Low-Mids im Zaum halten (Sidechain/dynamischer EQ).
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Rausch-„Wasserscheiden“ (Loop-Noise, Foley-Wind) als Kleber zwischen den Teilen.
Arrangement
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Weniger „Drop“, mehr „Drift“: Mikrodetails alle 8–16 Takte ändern.
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Vocals — häufiger Flüstern/Shouts/Mantra, teils post-punkige Sprechgesänge.
Hörtipps (Starter-Playlist)
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Red Axes — Sun My Sweet Sun / Waiting For A Surprise
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Moscoman — Mexican Cola Bottle Baby
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Jennifer Cardini & Damon Jee — Haunting
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Simple Symmetry — Voodoo Your Ex
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Khidja — Impossible Holiday
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Curses — Gold & Silber
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Marvin & Guy — The Train Of Fantastic
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Tolouse Low Trax — Rushing Into Water
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A Love From Outer Space-Sets (ALFOS) — Lehrbuch der Dramaturgie.
Wodurch sich Slow Motion House von Classic House & Nu-Disco unterscheidet
| Vergleich | Slow Motion House | Classic House / Nu-Disco |
|---|---|---|
| Tempo | 90–108 BPM | 118–126 BPM |
| Dynamik | Hypnotischer „Roll“ | Euphorischer „Rise/Drop“ |
| Texturen | Psychedelia, Ethno, Gitarren, EBM-Anklänge | Disco-Strings, Filter-House, helle Vocals |
| Vocal | Minimal, Mantren/Shots | Strophe-Refrain, Disco-Hooks |
FAQ
Subgenre von House oder eigenständige Szene?
Beides: rhythmisch House/Break-Disco, ästhetisch eine autonome Mid-Tempo-Kultur mit eigenen Labels und Partys.
Wie „zündet“ man den Floor bei langsamem Tempo?
Dicker Bass, klare Percussion, lange Builds, schrittweise Layer-Wechsel; arbeitet mit Graduationen statt harten Drops.
Braucht man Ethno/Rock-Samples?
Nicht zwingend: Lässt sich komplett mit Synths und Foley-Sounds bauen. Der Hybrid aus „lebendigen“ Quellen und analogem Gear ist jedoch ein markantes Markenzeichen.
Zusammenfassung
Slow Motion House ist Musik der „Überholspur außen“: weniger Tempo — mehr Tiefe. Sie hält den Raum mit sattem Bass, detailreicher Percussion und cinematischen Schichten, statt Peak-Drops hinterherzujagen. Ideal für warme Nächte, späte Dancefloors und lange, genussvolle Übergänge.